Das Herz spielt mit

Kreisligist Türkischer FK setzt auf die loyale Jugend

von Michael Res

Es herrschen turbulente Zeiten beim Türkischen FK. Der Bezirksliga-Absteiger befindet sich auch in dieser Saison in argen sportlichen Nöten und kämpft dagegen, nicht in die Kreisklasse durchgereicht zu werden. Ein Kampf, der in der jüngeren Vergangenheit hoffnungslos zu sein schien. Nach vier Niederlagen in Folge befand sich der türkische Traditionsverein im freien Fall. Umso überraschender, dass der FK gerade gegen einen Gegner aus dem oberen Tabellendrittel die Reißleine ziehen konnte und den ESV Rangierbahnhof mit einem klaren 4:0-Sieg nach Hause schickte.

Vor der wichtigen Partie versuchte der seit Mitte der vergangenen Saison in der Verantwortung stehende Spielertrainer Abdi Cetin in einer spontan einberaumten Sitzung, die angeschlagene Moral noch einmal zu stärken. Sie sollen „mit dem Herzen spielen“, habe er sie angewiesen. Der Motivationsversuch war gelungen, denn just nachdem die Worte des Übungsleiters verklungen waren, ging die Heimelf in der fünften Minute nach einem Konter durch Mehmet Dagtas in Führung. Der frühe Treffer brachte die nötige Ruhe, und das Team war kompakt und als Einheit aufgetreten.

Defensiver Schwerpunkt

Um das Geschehen auf dem grünen Geviert über längere Phasen zu kontrollieren, reicht ein psychologischer Bonus allein allerdings nicht aus; dafür wird spielerische Klasse benötigt. Da diese derzeit nicht vorhanden ist, beschränkte sich der FK die meiste Zeit auf das Toreverhindern. Die Rechnung ging auf. Die tief gestaffelte Abwehr ließ kaum hochkarätige Möglichkeiten der „Rangers“ zu, und die Offensive kaschierte ihre Schwäche im Spielaufbau mit erstaunlicher Effizienz. Aus fünf Chancen erzielte sie vier Treffer. Trotz dieses unerwarteten Erfolgs, mit dem sich der Türkische FK von der unmittelbaren Abstiegszone ein wenig distanziert hat, stellt sich die Frage, warum der eigentliche (Wieder-)Aufstiegsaspirant derart unter die Räder gekommen war. Bei der Ursachenforschung lassen sich erstaunlicherweise Parallelen zum Schicksal des „kranken Manns vom Bosporus“ erkennen. Ähnlich wie es einst

dem Osmanischen Reich widerfahren war, ist auch die Bezirksligamannschaft nach dem Abstieg zerfallen. Gerade zwei Stammspieler des Abstiegsteams unterstützen den FK weiterhin in der, wie der Trainer meint, „schwierigsten Phase der Vereinsgeschichte“.

Massenflucht der Söldner

Gründe für die Massenflucht nennt Präsident Ugur Kaya. Die Illoyalität resultiere aus einer mangelnden Verbundenheit der Spieler mit dem ältesten türkischen Fußballklub Nürnbergs: „Von einer zusammengekauften Mannschaft kann man auch nichts anderes erwarten.“ Da der Verein durch enorme Ausgaben für die Entlöhnung seiner Söldner in der Vergangenheit „heruntergewirtschaftet“ (Kaya) worden sei, war es nicht mehr möglich, sich erneut künstliche Loyalität zu erkaufen. Diese finanzielle Krisenlage war es letztendlich, die die neuen Verantwortlichen — auch der Präsident ist erst seit letzter Saison im Amt — zu einer völligen Neudefinition der Vereinspolitik, zu einem „absoluten Neuanfang“ (Kaya) zwang.

In Zukunft soll nicht mehr der Geldbeutel für sportlichen Erfolg entscheidend sein, sondern allein eine intensive Nachwuchsförderung. Die langfristige Ausbildung der jungen Spieler soll dann dazu führen, dass die nächste Generation wieder eine emotionale Verbundenheit entwickelt und „mit dem Herzen beim Verein ist“. Mit der Verwirklichung des Reformplans wären dann personelle und gleichzeitig finanzielle Probleme aus der Welt geschafft. Dass der Aufbau einer schlagkräftigen Truppe seine Zeit in Anspruch nimmt, ist dabei allen Verantwortlichen klar. „Einige Jahre wird es schon dauern, bis wir unsere Früchte ernten können“, sagt der Übungsleiter. Die Verhinderung des Abstiegs wird ein entscheidender Schritt dafür sein, ob die reformwilligen „Jungtürken“ genug Rückhalt aus dem Umfeld des Vereins erhalten werden, um ihr Vorhaben in Zukunft zum Erfolg führen zu können.